DER ORDEN POUR LE MÉRITE FÜR WISSENSCHAFTEN UND KÜNSTE
Der aus Gold gefertigte Halsorden zeigt in seiner Mitte den preußischen Adler, umschlossen von den achtfach wiederholten gekrönten Initialen Friedrichs II. Auf blau emailliertem Grund steht seine Bestimmung: Pour le mérite.
In dieser seit 1842 bestehenden Form tragen ihn nach den jetzt geltenden Statuten jeweils höchstens 40 in Deutschland und gleich viele im Ausland wirkende »Männer und Frauen, die durch weit verbreitete Anerkennung ihrer Verdienste in der Wissenschaft und der Kunst einen ausgezeichneten Namen erworben haben«, Naturwissenschaftler, Geisteswissenschaftler und Künstler in etwa gleicher Zahl. Unter der Schirmherrschaft des Staatsoberhauptes bilden sie das Ordenskapitel, das zweimal im Jahr zu internen Gesprächen und Verhandlungen zusammentritt. Dabei wird einmal, gegen Ende Mai, in Berlin und in Gegenwart des Bundespräsidenten als Protektor des Ordens eine große, öffentlich zugängliche Sitzung abgehalten mit Totenehrungen, Vorstellungen neu hinzugewählter Ordensträger, dem Festvortrag eines der Mitglieder und konzertanter Musik.
Die Geschichte dieses Ordens und seine Geltung sind eng verbunden mit den Umbrüchen der jüngeren deutschen Geschichte. 1740 hatte Friedrich der Große den Pour le mérite gleichermaßen für militärische wie für zivile Meriten gestiftet, ohne nationale Begrenzung. Seit dem Siebenjährigen Krieg war er nur noch an eigene Offiziere verliehen worden. So fügte ihm König Friedrich Wilhelm IV., beraten durch Alexander von Humboldt, 1842 eine gesonderte Friedensklasse »für die Verdienste um die Wissenschaften und Künste« hinzu, die auch Ausländer wieder einbezog.
Anders als der Kriegs-Pour le mérite überdauerte dieser Friedensorden 1918 das Ende der Monarchie als eine sich selbst ergänzende »freie Vereinigung von hervorragenden Gelehrten und Künstlern«. Aber entsprechend dem generellen Ordensverbot der Weimarer Verfassung wurde der Pour le mérite jetzt als ›Abzeichen‹ eingestuft und durfte nicht mehr ins Ausland vergeben werden.
Im Jahr 1933 trugen ihn der Jude Albert Einstein, die als erste Frau gewählte Sozialistin Käthe Kollwitz und der jetzt einer ›entarteten Kunst‹ beschuldigte Ernst Barlach. So fügte sich der Orden nicht in die Machtübernahme des nationalsozialistischen Regimes. Wegen seines Ansehens auch im Ausland zögerte man freilich, ihn zu verbieten. Aber man ließ keine Nachwahlen mehr zu und verurteilte ihn damit zum Aussterben.
Drei seiner Mitglieder waren in der Bundesrepublik Deutschland noch am Leben, als sich 1952, auf Anregung ihres ersten Präsidenten Theodor Heuss, die Friedensklasse des Pour le mérite wieder zu ergänzen und zu erneuern begann.
So verkörpert dieser Orden eine der wenigen großen Traditionen unseres Landes, die in seinen finsteren Jahren nicht befleckt oder verderbt worden sind. Ausländische, emigrierte oder vertriebene Künstler und Gelehrte haben ihn ohne Bedenken wieder entgegennehmen können. In der weltbürgerlichen Korporation dieses Friedensordens verstehen sich die Wissenschaften und die Künste (mit Goethe zu reden) wieder als »eine Welt- und Völkergabe«
Albrecht Schöne
Zur Wiederkehr des Hundert-Jahr-Tages
Erschienen in der „Frankfurter Zeitung“ am 31. Mai 1942